Begleitmaterial zum Kolping-Film
Der Bayerische Rundfunk hat den Dokumentarfilm „Kolping“ in Auftrag gegeben, der von der Redaktion für Zeitgeschichte begleitet wurde. Robert Atzorn spielte die Hauptrolle. Zu diesem Film wurde Begleitmaterial für den Schulunterricht herausgegeben:
1841-1848
Inhalt
Nach dem Abitur 1841 ermöglicht es Kolping eine glückliche Fügung, daß er aufgrund eines ihm angebotenen Stipendiums von finanziellen Sorgen frei in München das Theologiestudium aufnehmen kann. Die Universität München ist damals das Zentrum der katholischen Erneuerung in Deutschland.
Nach seiner Priesterweihe im Jahre 1845 ist Kolping bis 1849 Kaplan und Religionslehrer in der St.-Laurentius-Gemeinde in Wuppertal-Elberfeld. 1846 gründet dort der Lehrer Breuer einen Gesellenverein, dem sich Kolping von nun an ganz widmet.
Im Jahre 1848 - zur gleichen Zeit als das Kommunistische Manifest erscheint - veröffentlicht Kolping seine programmatische Schrift über den Gesellenverein. Diese Idee und dieses Programm bestimmen von nun an Kolpings Leben und Arbeiten.
Die bürgerliche Revolution von 1848 und die trotz der einsetzenden Restauration garantierten Rechte der preußischen Verfassung von 1850 geben den Rahmen und die Möglichkeit für ein aufblühendes kirchliches Vereinsleben.
Fakten zum Thema
Die Finanzierung seines Theologiestudiums verdankte Kolping einem Umstand, der sich "romanhaft" ausnimmt. Doch was wie Vorsehung, Fügung, Gnade oder purer Zufall aussieht, war eigentlich nur ein glückliches "Ergebnis", das aus Kolpings Persönlichkeitsstruktur resultierte: Er war immer gegenwärtig, wenn er notwendig gebraucht wurde. So auch an einem Abend im Januar 1841, als er durch einen anonymen Brief zu einem Todkranken ans Sterbebett gerufen wurde und ihm im Sterben beistand. Es war ein ehemaliger Theologiestudent, einst Hauslehrer am Mellerschen Gut in seiner Heimatstadt Kerpen, der durch Trunksucht und liederlichen Lebenswandel verkommen war. Zu Hause in Kerpen eröffnete ihm die Tochter des Gutsherrn Meller, daß sie in jenen Mann verliebt war und nach dessen Tod unter dem Wegkreuz in Kerpen das Gelübde abgelegt habe, einem mittellosen Theologiestudenten das Studium zu finanzieren. Sie bot Kolping diese Zuwendung an; unter der Bedingung, daß er später weder in persönlicher noch in beruflicher Hinsicht irgendwie verpflichtet sei, willigte Kolping in sein unerwartetes Stipendium ein - und begann im Mai 1841 mit dem Studium der katholischen Theologie in München.
Er schrieb am 7. Juni 1841 seinem Freund F. Müller: "Ich suchte eine gute katholische Universität, auf der ich mich zu meinem künftigen Berufe tauglich heranbilden könne. Was ich in dieser Hinsicht suchte, habe ich gefunden und bin, was Echtheit der Lehre und Gesinnung betrifft, vollkommen zufrieden." Von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends hatte Kolping seinen Studiensemestertag mit Vorlesungen, Übungen und Selbststudium verplant. "An dieser Ordnung wird selten etwas geändert."
Was Kolping am Studium in München faszinierte, waren die Universitätsprofessoren Friedrich Windischmann, Exeget und Kirchenrechtler (Kanonist), der auch Kolpings Beichtvater wurde, der Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger und der Philosoph Joseph von Görres, der das Haupt der katholischen Erneuerungsbewegung in Deutschland war.
Der Einfluß von Görres und Windischmann auf die spätere volksseelsorgerische Methode Kolpings war groß. Bei Görres lernte Kolping die gegenseitige Verknüpfung und Abhängigkeit von Religion und Volkstum, Kirche und Staat, Arbeitsleben und Frömmigkeit kennen; sein Problembewußtsein wurde geschärft.
Wie der Feuergeist des alten Freiheitskämpfers Joseph von Görres den Studenten Kolping auch faszinierte, geprägt in seinem theologischen Denken wurde er vom Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger, dem er sein ganzes Leben in Freundschaft, Verehrung und Dankbarkeit verbunden blieb.
Nach den theologischen Examina verläßt Kolping im Juli 1842 schweren Herzens München, das ihm zur zweiten Heimat geworden ist; er mußte an der zerstrittenen theologischen Fakultät der Universität Bonn sein Theologiestudium abschließen, tat dies im März 1844, trat in das Priesterseminar in Köln ein und wurde am 13. April 1845 in der Minoritenkirche zu Köln zum Priester geweiht.
Sein Vater starb in der Nacht zum 13. April in seinem Schäferhaus in Kerpen im Kreis seiner Kinder, in dem nur sein Sohn Adolph fehlte. Kolping bekam den Tod seines Vaters unmittelbar vor der Priesterweihe von seinem Bruder Wilhelm und seiner Schwester Katharina mitgeteilt.
Schon Ostern 1845 wurde Kolping zum Kaplan an der St. Laurentius-Kirche in Wuppertal-Elberfeld ernannt und im Juni 1845 zusätzlich als Religionslehrer am dortigen Gymnasium verpflichtet. Die Seelsorge in der katholischen Gemeinde in Elberfeld war aufgrund der Diasporasituation und ihrer sozialen Struktur eine schwierige Aufgabe, der sich Kolping ganz gar verschrieben und gewissenhaft gewidmet hatte.
Im Sommer 1846 wandten sich zwei in Elberfeld arbeitende Schreinergesellen - Georg Gerlach und Fritz Kamp - mit der Bitte an Kolping, ob er ihnen bei der Beschaffung einer Fahne für die katholische St.-Laurentius-Prozession behilflich sein könnte. Sie hatten sich zu einem Freundschaftsbund Gleichgesinnter zusammengeschlossen und in ihrer Freizeit Lieder und Gesänge für ihre gemeinsame Teilnahme an der Prozession, die damals sicher "demonstrativen" Charakter hatte, geübt.
Als die Werkstatt des Schreinermeisters Thiel für die ca. 20 bis 30 Gesellen, die sich dort zusammenfanden, zu klein wurde, stellte ihnen Johann Georg Breuer, Hauptlehrer an der Mädchenschule in Elberfeld, ein Schulzimmer zur Verfügung und nahm sich des Freundschaftsbundes der Gesellen an, nachdem er sich schon durch zahlreiche Vereinsgründungen in der Elberfelder katholischen Gemeinde verdient gemacht hatte. Er erweiterte das Programm der Gesellenversammlungen durch bildende und belehrende Vorträge, formte die zunächst unverbindliche Vereinigung zu einem festen Verein und nannte ihn "Gesellenverein". Sinn und Zweck dieses Vereins legte er in einer Denkschrift und in einem Statut fest.
Bei einer gemeinsamen Beratung von Breuer und den beiden Kaplänen Steenartz und Kolping beschloß man den "Jünglingsverein". In Kolping erwachte immer stärker das Interesse für die Art und Aufgabe von Arbeiterseelsorge.
"Da haben Sie ein Ding gemacht, daran habe ich all mein Lebtag gefreit", sagt er begeistert zum Lehrer Breuer. Am 6. November 1846 ist die Gründungsversammung und Wahl des Vorstandes des ersten katholischen "Jünglings-" bzw. "Gesellen-Vereins". Breuer berichtete über Kolping: "Die originelle Weise, in der er zu den jungen Leuten redete, noch mehr aber das tiefe Verständnis für die Leiden des Handwerksburschen in der Fremde und der herzliche Biederton, mit dem er seiner Anteilnahme Ausdruck gab, zündeten alsbald und nahmen ihm die Herzen aller ein. Von da ab kam Kolping jeden Montag, und viele Gesellen freuten sich die ganze Woche hindurch auf seinen Vortrag und konnten den Abend kaum erwarten."
Als im Mai 1847 Kaplan Steenaertz von Elberfeld an eine andere Pfarrstelle wegversetzt wurde, wählten die Gesellen Adolph Kolping zum "Präses", d. h. zum geistlichen Vorstand des Vereins, dem von nun an Kolpings ganze Aufmerksamkeit, Energie und Engagement gehörte. Er erkannte die pastorale Chance und epochale Aufgabe dieser religiös-sozialen Arbeit.
Ende Oktober 1848 hatte er seine Gedanken und Pläne über den Gesellenverein in einer Denkschrift mit dem Titel "Der Gesellenverein. Zur Beherzigung für alle, die es mit dem wahren Volkswohl gut meinen." veröffentlicht. Programmatisch schilderte er die Situation des Gesellenstandes, beschrieb den Gesellenverein als Institution zur Behebung bestehender Mängel und wies auf die Notwendigkeit und Möglichkeit der Verbreitung des Gesellenvereins hin.
Ein Jahr vorher war eine andere Programmschrift von ungeheurer politischer Brisanz und revolutionärer Potenz entstanden.
Karl Marx und Friedrich Engels unternahmen 1847 eine Reise nach London, wo sie in den Bund der Kommunisten eintraten. Im Auftrag dieses Bundes schrieben sie von Mitte Dezember 1847 bis Januar 1848 das sog. Kommunistische Manifest, das im Februar 1848 in London in deutscher Sprache veröffentlicht wurde; erst 1872 geben sich Marx und Engels in der deutschen Ausgabe des Manifests als Verfasser zu erkennen. So stand im Jahr der bürgerlichen Revolution 1848 auch schon die kommunistische Revolution auf dem Plan, wenn auch nur als "Credo" für nicht mehr als vierhundert eingeschriebene Kommunisten. Die Kommunisten unterstützten damit überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände, auch mit der Bourgeoisie gegen absolute Monarchie, das feudale Grundherrentum und die Kleinbürgerei. In Deutschland unterstützten sie die bürgerliche Revolution, die sie als notwendige Vorstufe zur proletarischen Revolution ansahen.
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