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Erster Bericht im Kolpingblatt Nr. 7/8-2002 auf Seite 4.

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Kolping stand an der Wiege der CDU

Nicht als Organisation, aber durch engagierte Mitglieder hat Kolping großen Einfluss auf die deutsche Sozialgeschichte genommen. Die Gründung der CDU bildet dafür ein Beispiel.

Das Kolpingblatt hat zweimal intensiv und anschaulich darüber berichtet, wie es zur Gründung der CDU-Deutschlands kam. Maßgeblichen Einfluss nahmen christliche Politiker aus dem Rheinland. Aber auch bei der gleichzeitig erfolgten Gründung in Berlin waren Kolpingmitglieder dabei – zum Beispiel Jakob Kaiser – beteiligt.

In Köln waren 9 von 18 Gründern Kolpingmitglieder. Gründungsort war das Kolpinghaus. Dort eröffnete auch Johannes Albers das Büro der Sozialausschüsse, heute Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft.

In seinen Erinnerungen zur Vorgeschichte und Entstehung der CDU no- tierte Dr. Leo Schwering über das Gründungstreffen am 17. Juni 1945: „Von den ramponierten Wänden des Saales sahen die Bilder der ehemaligen Generalpräsides des Kolpingwerkes, an der Spitze der Gründer Adolph Kolping, lebensgroß herab. Eine Galerie von Männern, die aus dem christlichen Ethos eine neue Bewegung geformt hatten, die zu den größten sozialen Taten gehörte. Dieser Raum konnte gar nicht glücklicher gewählt werden.“

Hier der erste Bericht im Kolpingblatt, Ausgabe Juni/August 2002, der nach einer Begegnung von Chefredakteur Martin Grünewald mit dem Historiker der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Rudolf Uertz, und zwei „Gründersöhnen“ entstand:

Die ersten Gründungen der CDU fanden in Berlin und Köln statt – unabhängig voneinander, aber am gleichen Wochenende. An beiden Orten waren Kolpingmitglieder beteiligt. In Köln, wo die wichtigste programmatische Arbeit geleistet wurde, waren neun von 18 Gründern Kolpingmitglieder. Eine Tatsache, die bislang in keinem Archiv oder Geschichtsbuch auftaucht. Das Kolpingblatt hat dies jetzt von einem „Gründersohn“ erfahren und lud drei Personen zum Gespräch ein: Franz Hastrich und Heribert Günther, deren Väter an der Gründung im Kolpinghaus teilnahmen, und Dr. Rudolf Uertz, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung.

22. Mai 1945: Der Krieg ist beendet, aber Köln ist überwiegend zerstört. Die Stadt beherbergt nicht einmal fünf Prozent ihrer ursprünglichen Ein- wohnerzahl. In der Innenstadt ist kaum noch ein Haus, das einigermaßen bewohnbar ist. Drei Jahre lang wird es Lebensmittel und alle wichtigen Güter des Lebens nur auf Zuteilungsschein geben. Die Siegermächte demontieren das, was noch brauchbar ist. Viele Deutschen sind überzeugt: Es wird nicht Jahre, sondern Jahrzehnte dauern, bis sich das Leben wieder normalisiert.

An diesem 22. Mai verabreden sich einige Kölner Bürger zu einem Treffen, das am 17. Juni im Kolpinghaus stattfinden soll. Dann soll überlegt werden, wie es politisch weitergehen soll: in Köln, im Rheinland, im zerstörten Deutschland.

15. Juni 1945: Clemens Hastrich ist aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Er findet im Kolpinghaus eine vorü- bergehende Bleibe, Vor dem Krieg bewirtschaftete er die Gaststätte im Haus des Kölner DGB. Damals gab es drei konkurrierende Gewerkschaften, von denen zwei die bedeuten- dere Rolle zukam: den sozialistischen freien Gewerkschaftsbund (FDGB) und den christlichen Gewerkschaftsbund (DGB). Die Nazis verboten bald die bestehenden Gewerkschaften und gründeten die deutsche Arbeitsfront (DAF). Aber die Gaststätte blieb, und die christlichen Arbeiterführer trafen sich jetzt zum Kegelabend. Dabei wurde natürlich heimlich überlegt, wie es poli- tisch weitergehen sollte, wenn der Hitler-Spuk vorbei sein würde. Der Sohn des Gaststättenpächters, Franz Hastrich, war damals ein Kind und berichtet heute: „Ich half beim Kegel aufstellen. Und so lernte ich manchen christlichen Gewerkschaftsführer kennen, zum Beispiel Jakob Kaiser, den späteren Mitbegründer der CDU in Berlin.“

Bernhard Günther arbeitete bei den Kölner Stadtwerken in der Stromversorgung. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde er gemobbt. Sein Ausweg: Er machte sich selbstständig. Im Krieg wurde er als „unabkömmlich“ eingestuft. Als Leiter der Elektro-Fachabteilung des Katholischen Gesellenvereins (KGV) Köln-Zentral (heute Kolpingsfamilie) kannte Bernhard Günther auch den früheren Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der dem KGV-Schutzvorstand angehörte. Adenauer bat, so erfuhr Heribert Günther später von seinem Vater, den Kölner Handwerksmeister so manches Mal in sein Haus nach Rhöndorf bei Bonn, um Elektro-Reparaturen durchführen zu lassen. Trotz der Bewachung durch die Nationalsozialisten ließen sich so Informationen austauschen.

Clemens Hastrich und Bernhard Günther gehören am 17. Juni 1945 zu den 18 Mitbegründer der CDU in Köln. Von Berlin als Reichshauptstadt und von Köln als „Hauptstadt“ der Katholiken ging die Botschaft aus: Wir bauen nicht wieder das „Zentrum“ als katholische Partei auf, sondern wir gründen eine neue, überkonfessionelle Partei. Wenngleich am ersten Treffen nur Katholiken, nämlich führende Zentrumspolitiker und christliche Gewerkschaftsführer, beteiligt waren, änderte sich dies sehr schnell: Bereits beim nächsten Treffen und bei der Arbeit der Programmkommission nahmen einflussreiche evangelische Persönlichkeiten teil.

Das Signal aus Köln wurde im gesamten Rheinland, in Westfalen und darüber hinaus verstanden. „Damit wurde eine politische Lawine ausgelöst“, beschreibt der Historiker Dr. Rudolf Uertz. Von Köln aus nahmen die Initiato- ren der neuen Partei Kontakt auf zu vielen Gruppen auf, die sich in ähnlicher Absicht überall im Land bildeten.

Dass zunächst in den programmatischen Aussagen ein „christlicher Sozialismus“ gefordert wurde, hatte mehrere Ursachen. Die christlichen Ge- werkschafter hatten gerade in den Anfängen maßgeblichen Einfluss, sie standen politisch links. Die Dominikaner, die Verteilungswirtschaft aus ihrem Ordensleben kannten, leiteten den christlichen Sozialismus aus ihrer Interpretation der Scholastik und Katholischen Soziallehre ab. Vor allem aber der Mangel an den elementarsten Lebensgütern zwang zur staatlichen Wirtschaftslenkung. Erst die Währungsreform und die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard ab Juni 1948 bewirkten eine entscheidende Wende. „Unsere Väter waren keine christliche Sozialisten“, bestätigen heute übereinstimmend die Gründersöhne Franz Hastrich und Heribert Günther. Beide Väter gingen in die Politik: der eine in die Kommunalpolitik, der andere in den Bundestag.

Der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, ging auch auf die Söhne über: Franz Hastrich war Kommunalpolitiker und zwölf Jahre lang Zentralleiter für „Arbeit und Beruf“ im Kolpingwerk, Heribert Günther ist Obermeister der Elektroinnung und stellvertretender Kreishandwerksmeister. Beide verbindet, dass sie jahrzehntelang die Meistergruppe der Kolpingsfamilie Köln-Zentral geleitet haben.

Martin Grünewald

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Im Juni 2005 berichtete das Kolpingblatt erneut, diesmal mit weiteren Details.

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